Die deutsche
Soziologie im Nationalsozialismus bestand überwiegend aus
empirischer Sozialforschung als Auftragswissenschaft. Die geisteswissenschaftliche Tradition der Disziplin verlor an Gewicht. Das lag einerseits an der Vertreibung bedeutender Sozialwissenschaftler, andererseits am Desinteresse der Machthaber an akademisch begründeter „Legitimationsideologie“. Soziologische Theoriebildung zwischen 1933 und 1945 blieb insofern marginal. Es gab keinen Bedarf für eine „nationalsozialistische
Soziologie“, obwohl sich „Volkstumssoziologen“ und Protagonisten des
Ständestaats daran versuchten. Die empirische Sozialforschung erlebte hingegen einen Entwicklungsschub. Für sie wurde eine große Zahl von Soziologen akademisch und außeruniversitär für das Regime tätig. Nach dem
Zweiten Weltkrieg konnten sich viele Fachwissenschaftler, die auch vor 1945 als Soziologen tätig gewesen waren, wieder im Wissenschaftsbetrieb etablieren. In der jungen Bundesrepublik wurde dann von einflussreichen Vertretern der Disziplin bestritten, dass es im
Dritten Reich überhaupt eine Soziologie gegeben habe. Die Behauptung von der Abwesenheit der Soziologie im
Nationalsozialismus dominierte viele Jahre lang die Fachgeschichte und wird vereinzelt noch aktuell erhoben.